Was die Forschung sagt und was wir dafür tun können
Was ist eigentlich Achtsamkeit?
Zu Beginn müssen wir uns damit auseinandersetzen, was Achtsamkeit überhaupt ist. Hierfür gehen wir zurück in die frühen zweitausender Jahre. Auch wenn bis hierhin schon viele Studien zum Thema durchgeführt worden waren, wurde der Begriff erst in dieser Zeit von verschiedenen Forscherteams definiert.
Eine der bekanntesten Studien1 besagt, dass Achtsamkeit zwei Komponenten besitzt:
- Zum einen richten wir, wenn wir achtsam sind, unsere Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt.
- Gleichzeitig ist diese Aufmerksamkeit von Offenheit und Akzeptanz geprägt.
Das Bedeutet: Achtsamkeit ist ein Zustand, in dem wir die Vorgänge in und um uns aufmerksam und wertungsfrei beobachten.
Achtsam und mental gesund?
Nachdem wir den Begriff geklärt haben, stellt sich die Frage, in welcher Art und Weise uns Achtsamkeit vor allem am Arbeitsplatz helfen kann. Während Vorteile für die mentale Gesundheit im Allgemeinen schon länger bewiesen sind nach 1, sind in den letzten Jahren auch die Effekte von Achtsamkeit auf Arbeitnehmer zum Forschungsgegenstand geworden.
Frontrunner in diesem Gebiet sind die Studien von Ute Hülsheger2345 von der Universität Maastricht: Sie fand verschiedenste positive Effekte einer achtsamen Einstellung im Allgemeinen sowie Trainings, die bei Arbeitnehmern die Achtsamkeit steigern. Menschen die achtsamer sind:
- können besser nach der Arbeit im Privatleben abschalten
- können besser und länger schlafen
- haben weniger persönliche Spannungen und psychologischen Stress
- haben weniger psychosomatische Beschwerden
- haben eine höhere Job- und Lebenszufriedenheit
- haben eine geringere emotionale Belastung
Besonders der letzte Punkt ist hier wichtig, denn das ist der Mechanismus, über den Achtsamkeit uns beeinflusst: Unsere Emotionsregulation. Genauer gesagt, unsere Emotionsarbeit.
Die versteckte Arbeit am Arbeitsplatz
Um diese zu verstehen, müssen wir aber noch einmal einige Jahre zurückgehen, genauer gesagt in die frühen achtziger Jahre, in denen der Begriff erstmals von A. R. Hochschild genannt wurde (6).
Sie fand bei Flugbegleitern, dass diese nicht nur ihre körperliche Arbeit leisten mussten, sondern auch emotionale: Sie mussten gewisse vom Arbeitgeber vorgegebene Emotionen zeigen, auch wenn sie diese nicht fühlten.
Ich schätze, kaum jemand von uns hat schon wütende Flugbegleiter bei der Arbeit gesehen. Das hat den Grund, dass ihr äußerliches emotionales Auftreten von den Fluggesellschaften vorgegeben ist.
Diese Arbeit ist aber nicht auf diesen Beruf beschränkt. In jedem Berufsfeld, in dem es menschliche Interaktion gibt (Spoiler: das ist fast jeder Beruf) müssen wir manchmal Emotionen zeigen, die wir nicht fühlen: Wir müssen nett zum nervigen Kunden sein, wir müssen „professionell“ sein, auch wenn wir mal traurig sind, oder einfach überzeugend wirken, obwohl wir aufgeregt sind.
Ein solcher Zustand ruft in uns eine gewisse Spannung hervor. Aus anderen mentalen Bereichen wissen wir, dass Menschen innere Spannungen ganz und gar nicht gerne haben (Siehe zum Beispiel: Thema kognitive Dissonanz7).
Die Arbeit kann für uns auf verschiedenste Weisen anstrengend sein: Es kann sein, dass wir Emotionen lange aufrecht erhalten sollen, das ganze häufig tun sollen, viele verschiedene Emotionen zeigen oder sie besonders intensiv zeigen sollen8. In einem der Punkte werden sich viele wiederfinden.
Lächeln aufgesetzt: Diagnose Burnout?
Während man zwar an seinen Aufgaben wächst und in dieser Arbeit auch Erfolge finden kann, sind die Folgen von Emotionsarbeit jedoch auch emotionale Erschöpfung und Depersonalisation, also Selbstwertverlust. Dies sind unter anderem Anzeichen einer möglichen Burnout-Erkrankung, mit welcher sich einige Leser bestimmt schon beschäftigt haben.
Es konnte schon direkt belegt werden, dass Achtsamkeit vorbeugend gegen Risikofaktoren für Burnout wirkt. Um noch einmal zusammenzufassen, ist der Wirkmechanismus folgender: Achtsamkeit macht es uns leichter, Emotionsarbeit zu verrichten, was wiederum zu weniger Burnoutrisiko führt (9).
Achtsamkeitstraining
Nachdem wir nun geklärt haben, warum Achtsamkeit für uns am Arbeitsplatz hilfreich ist, stellt sich nun natürlich die wichtigste Frage: Was können wir denn nun tun, um achtsamer zu sein? Das ist einfacher zu erreichen, als man vielleicht glauben mag. Man wird zwar nicht von heute auf morgen achtsamer, doch man kann das Ganze schon mit kurzen täglichen Übungen trainieren.
Um noch einmal darauf zurückzukommen, was Achtsamkeit ausmacht: wir müssen unsere Aufmerksamkeit wertungsfrei auf etwas richten. Dazu eignet sich unser Atem perfekt. Hier ein Beispiel:
Schließ deine Augen und konzentriere dich auf deinen Atem. Versuche zu spüren, was in deinem Körper beim Atmen geschieht. Atmest du aus der Brust oder aus dem Bauch? Sanft oder ruckartig? Zähle deine Atemzüge bis zum zehnten und beginn dann wieder von vorne. Es ist ganz normal, dass währenddessen die Aufmerksamkeit und Gedanken wieder zu anderen Themen fließen. Wenn das passiert, ärgere dich nicht darüber. Akzeptiere dies einfach und komm einfach wieder zurück zu deinem Atem.
Wenn dich das an eine Meditation erinnert, liegst du damit ganz richtig. Achtsamkeit und Meditationen sind eng verbunden. Auch kurze Meditationssitzungen können uns helfen, achtsamer und stressfreier zu sein. Es gibt hierfür verschiedenste Angebote.
Wenn du dich dafür interessierst, versuche, nur wissenschaftlich fundierte Angebote wahrzunehmen. Wir haben gerade so viel zur Forschung dazu erfahren, da wollen wir natürlich auch Methoden nutzen, die erwiesenermaßen helfen!
Zeit für mich, Zeit für meine Gesundheit
Aber so weit muss man für einen ersten Schritt gar nicht gehen. Wir können unsere Aufmerksamkeit auch einfach an allen unseren Sinnen trainieren. Wir können uns bei der Arbeit zum Beispiel darauf konzentrieren, was wir gerade hören. Was wir gerade spüren. Worauf wir gerade sitzen, wo unser Kontakt zum Boden ist. Was wir schmecken, wenn wir gerade unseren Mittagssnack essen.
Du siehst, die Möglichkeiten sind riesig. Wichtig ist es nur, die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Bereich zu richten und dabei offen und wertungsfrei der Erfahrung gegenüber zu sein. Das kann am Anfang etwas schwierig sein. Mach dir aber bewusst, dass es Zeit in Anspruch nehmen kann, bis man Fortschritte sieht. Genauso, wie auch bei körperlichem Training. Diese werden es dann aber auch wert sein.
Mach dir auch bei den Übungen bewusst, dass du dir wirklich die Zeit dafür genommen hast. Auch wenn das nur fünf Minuten sind, die hast du dir wirklich für dich reserviert. Die positiven Effekte auf die Psyche sind diese allemal Wert!
Quellen
(2) Hülsheger, U. R., Alberts, H. J., Feinholdt, A., & Lang, J. W. (2013). Benefits of mindfulness at work: the role of mindfulness in emotion regulation, emotional exhaustion, and job satisfaction. Journal of applied psychology, 98(2), 310.
(3) Hülsheger, U. R., Lang, J. W., Depenbrock, F., Fehrmann, C., Zijlstra, F. R., & Alberts, H. J. (2014). The power of presence: the role of mindfulness at work for daily levels and change trajectories of psychological detachment and sleep quality. Journal of Applied Psychology, 99(6), 1113.
(4) Hülsheger, U. R., Feinholdt, A., & Nübold, A. (2015a). A low‐dose mindfulness intervention and recovery from work: Effects on psychological detachment, sleep quality, and sleep duration. Journal of Occupational and Organizational Psychology, 88(3), 464-489.
(5) Hülsheger, U. R., Lang, J. W., Schewe, A. F., & Zijlstra, F. R. (2015b). When regulating emotions at work pays off: A diary and an intervention study on emotion regulation and customer tips in service jobs. Journal of Applied Psychology, 100(2), 263.
(6) Hochschild, A. R. (1983). The managed heart. Berkeley.
(7) Festinger, L. (1957). A theory of cognitive dissonance. Stanford, CA: Stanford University Press.
(8) Morris, J. A., & Feldman, D. C. (1997). Managing emotions in the workplace. Journal of managerial issues, 257-274.
(9) Abenavoli, R. M., Jennings, P. A., Greenberg, M. T., Harris, A. R., & Katz, D. A. (2013). The protective effects of mindfulness against burnout among educators. Psychology of Education Review, 37(2), 57-69.
Der Autor stellt sich vor:
Kontakt zu Marian Dieguez Laukamp:
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