Hochsensibilität, mein liebevoller Begleiter
HOCHSENSIBILITÄT WILL GEHÖRT WERDEN
Hochsensibilität bezeichnet das Phänomen einer sensorischen Verarbeitungsintensität.
Durch die Intensität entsteht eine schnelle Überreizung, ausgelöst durch Außenreize wie Geräusche, Temperatur, Gerüche und Licht. Dadurch ist das Stresshormon Cortisol fast dauerhaft erhöht und es entstehen Symptome wie bspw. Gereiztheit, emotionale Ausbrüche, körperliche Symptome, Zurückgezogenheit, Müdigkeit.
Meist ist man sich der Symptome nicht bewusst oder die Ärzte finden keinen Grund für diese Symptome, sodass viele Menschen sie schließlich einfach hinnehmen, bis sie sich irgendwann häufen und zum Problem werden. So weit muss es jedoch nicht kommen.
Da unten in der Hochsensibilität
Es ist Juni. Wir haben einen schönen warmen Sommertag, den ich mit meiner Familie beim Grillen verbringe. Sie unterhalten sich fröhlich, aber so sehr ich es auch möchte, ich kann es einfach nicht genießen. Der Grund: Meine Hochsensibilität!
Schon wieder ist es mir zu laut, genauso wie auf der Arbeit inzwischen tag täglich. Und überhaupt, mir ist einfach grundsätzlich alles nur noch zu laut, zu geruchsintensiv, zu hell, zu ermüdend.
Ich kann niemandem mehr aufmerksam zu hören, was ich sonst leidenschaftlich tue. Ausgelassene Partys ertrage ich nicht mehr, die ich sonst fröhlich mitfeierte. Das Autoradio und den Fernseher hatte ich seit Tagen nicht mehr an. Es wird immer schlimmer.
Nach einigen Wochen ertrage ich kaum noch äußere Reize, die mir im Alltag und in der Gesellschaft begegnen. Ich ziehe mich zurück. Ich weine, obwohl ich nicht traurig bin. Ich bin erschöpft, obwohl ich eben erst geschlafen habe. Mir fehlt sämtliche Energie, ich fühle mich ausgebrannt. Mein Zustand ist mir neu und macht mir Angst, ich gehe zum Arzt …
Aha, das Ganze hat einen Namen!
Zugegeben: Der Stress der letzten Wochen wäre wohl an kaum jemandem spurlos vorbei gegangen. Immerhin habe ich binnen weniger Monate meine Mutter auf traumatische Weise verloren und wollte für meine Familie da sein, zeitgleich beendete ich meine Studien- und Ausbildungszeit, brachte einen Umzug hinter mich, arbeitete mich in eine neue Arbeitsstelle ein und arrangierte mich mit der ein oder anderen Distanzierung bzw. Labilität von mir geliebter Menschen.
Es mussten viele große Entscheidungen in kurzer Zeit getroffen werden, bei denen ich immer abwägen musste, ob ich mein Wohl oder das der anderen an erster Stelle setze. Das waren viele neue Ereignisse auf einmal, die sich sonst oft auf Jahre verteilen. Der Druck der letzten Monate wollte sich nun einfach Ausdruck verschaffen.
Nach mehrwöchiger Krankschreibung und ausgiebiger Erholungszeit und nach intensiver Auseinandersetzung mit mir selbst, habe ich einige Erkenntnisse gewonnen, die sich nicht nur auf die letzten Wochen beziehen, sondern auf mein gesamtes Leben. Eine davon ist: Ich bin hochsensibel.
Was früher oft von anderen mit du bist einfach etwas empfindlich abgetan wurde, wird nun von mir ernsthaft gehört und besitzt einen Namen: Hochsensibilität.
Das Phänomen war schon immer in mir vorhanden, es hat sich lediglich durch das Trauma und den Stress deutlich verstärkt und ist in mein Bewusstsein gerückt.
Hochsensibilität ist keine Krankheit
Es bezeichnet das Phänomen einer sensorischen Verarbeitungsintensität. Es ist quasi ein Merkmal vieler Menschen, das einen Namen bekam. Durch die Intensität entsteht eine schnelle Überreizung, ausgelöst durch Außenreize wie Geräusche, Temperatur, Gerüche, Licht.
Demgemäß sind Menschen mit Hochsensibilität oft beispielsweise diejenigen, die als erstes eine Party verlassen oder ihre Mittagspause alleine verbringen, um sich zu erholen.
Häufig besteht auch eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit, oft wird Koffein und Alkohol nicht vertragen, ein Hunger- und Müdigkeitsgefühl beeinflussen sehr stark das Wohlbefinden. Aufgrund der erhöhten Feinfühligkeit werden auch auf zwischenmenschlicher Ebene oft kleinste Nuancen in Gefühls- und Verhaltensänderungen anderer wahrgenommen, oft noch bevor diese sie selbst registrieren.
Menschen, die hochsensibel sind und sich nicht adäquat damit auseinandersetzen, sind aufgrund der Überreizung anfälliger für Stresserkrankungen und somit auch für Burnout und Depression.
Wie steht Hochsensibilität in Verbindung mit Burnout?
Das Nervensystem hochsensibler Menschen ist wegen der hohen Erregbarkeit fast permanent belastet und das Stresshormon Cortisol ist dauerhaft erhöht und sinkt nur langsam.
Dadurch können unterschiedliche Stresssymptome wie Appetitmangel oder Heißhunger, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme, Probleme bei der Konzentration, starke Erschöpfung usw. entstehen.
Die größt mögliche Folge dieser oft bagatellisierten Symptome ist wohl der Burnout. Da die Symptome belastend sein können und sich oft nicht erklären lassen, kann dies auch eine Depression begünstigen.
Hochsensibilität als positiver Begleiter
Nun, zunächst mag das so klingen, als sei Hochsensibilität ein lästiger Begleiter des Alltags. Manchmal ist das auch sicher so, vor allem wenn man dagegen ankämpft. Sie kann jedoch vielmehr sein als das. Als ich damals von Hochsensibelität erwurf, fiel mir ein großer Stein vom Herzen, da plötzlich sehr vieles an mir und aus meinem gesamten Leben begründet war, als seien viele kleine Einzelteile zu einem großen Puzzleteil meines Lebens zusammengesetzt worden.
Ich sehe Hochsensibelität als eine liebevolle Stimme in mir. Die Hochsensibilität lässt mich einige Dinge erkennen und enthält positive Aspekte, die Menschen mit Hochsensibilität oft zu Gute kommen, wenn sie ihr Aufmerksamkeit schenken:
- Man lernt den eigenen Körper besser kennen, als jeder Arzt ihn kennt
- Sie verschafft die Gabe zu tieferer Empathie als bei anderen Menschen
- Sie verschafft eine ganz besondere Verbindung zwischen Mensch und Natur
- Sie bringt besonders tiefe Empfindungen mit sich: tiefe Liebe, tiefe Trauer, tiefe Freude, tiefe Verbundenheit und Dankbarkeit. Es gibt durch sie quasi keinen Platz für oberflächliche Bindungen und Emotionen.
- Menschen mit Hochsensibilität möchten oft die Welt tiefer verstehen
- Man lernt seine eigenen Grenzen kennen, aber im Gegenzug auch all das, was man benötigt, um ausgelassen zu Leben und sehr leistungsfähig für große und kleine Ziele zu werden
- Das ist nämlich auch typisch: Ehrgeizige und perfektionistische Menschen sind oft jene, die auch hochsensibel sind.
Der Umgang mit der Hochsensibilität
Hochsensible müssen für mehr oder anderen Ausgleich sorgen, als andere Menschen und für jeden mögen andere Dinge am besten funktionieren. Für mich hat sich bewährt, mir einen Kraftort in der Natur zu suchen, an dem ich für mich Energie aufladen kann, vor allem nach lauten Arbeitstagen oder stressigen Situationen.
Es hilft zudem Anti-Noice-Kopfhörer dabei zu haben, die man sich an Orten mit vielen Menschen bei Bedarf einfach aufziehen kann (z.B. Flughäfen). Ich ziehe sie meist auf, um die Geräusche zu dämpfen. Anderen hilft es eine leichte Meditationsmusik aufzulegen, um die Geräusche damit zu übertönen und das Entspannungszentrum des Gehirns anzuregen.
Je nach Befindlichkeit bleibt das Radio im Auto einfach mal aus und auch das Fernsehen habe ich auf ein Minimum reduziert. Eine Sonnenbrille habe ich auch immer im Gepäck und an stressigen Tagen meide ich das Treffen von Personen, die extrem redefreudig sind. In jeder Arbeitspause gönne ich mir mind. 5 Minuten komplett für mich alleine und ich habe gelernt, dass es mir egal sein kann, wenn andere das anders machen oder seltsam beäugen.
Verständnis für meine Hochsensibilität
Die meisten Menschen haben dafür übrigens mehr Verständnis als man meint. Mir ist es ebenso wichtig, viele Pflanzen in der Wohnung zu haben, die für Sauerstoff und eine Wohlfühl-Atmosphäre sorgen. Meditation, Sport und gesunde Ernährung sind ebenso unabdingbar wie einige Stunden für mich alleine, nach einem tollen geselligen Tag.
Ich halte mir an wirklich jedem Tag Abends vor Augen, was das Schönste des Tages war. Oft schreibe ich dies auf kleine Zettel nieder und lege sie in ein Glas. Das senkt den Stresspegel und ist zeitgleich positive Gedankenarbeit. Die ca. 300 Notizen schaue ich mir dann an Silvester nochmal an, sodass ich mir zu Herzen nehmen kann, welche wundervollen Momente das Jahr bereitgehalten hat.
Diese kleine Gedankenarbeit haben inzwischen viele meiner Bekannten übernommen. Vielleicht möchtest du es auch mal versuchen.
Was ich zu Hochsensibilität noch sagen möchte
Wenn du dich damit angesprochen fühlst, dann verzweifle nicht, sondern nimm es an. Lass dir nicht von anderen einreden, dass du krank oder kaputt bist. Denn du hast eine Gabe, ein Gespür, für das die anderen kein Verständnis haben, da es nicht in deren Erfahrungswelt liegt. Mach dir dies als Stärke zu nutze.
Das wichtigste ist die Akzeptanz der Hochsensibelität. Nach der Akzeptanz folgt die bewusste Annahme, nach der Annahme folgt verstärkte (Eigen)liebe und dadurch die Heilung emotionaler Verletzungen und Überreizungen. Denn plötzlich ergibt alles einen Sinn. Anschließend wirst du dich und andere vermutlich mehr lieben können als jemals zuvor. Und das Leben gelangt wieder einen natürlichen Lebensfluss.
Die Autorin stellt sich vor
Ich bin Christina, 29 Jahre alt, wohne aktuell in der Eifel und bin schon viele Jahre auf der achtsamen Reise zu mir selbst. Ich hege, seitdem ich zurück denken kann, eine Faszination für die Psyche, Eigenheiten und Emotionen von Lebewesen und schon immer mochte ich es, Menschen positiv zu bestärken. Dies führte u.a. dazu, dass ich Geistig- und Sprachbehindertenpädagogik studiert habe und nun als Lehrerin tätig bin. Zudem befinde ich mich in der Weiterbildung zum Personalcoach und hoffe, Menschen dabei zu helfen, ein erfüllteres Leben zu führen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder Mensch genau das erreichen kann was er möchte, wenn er das richtige Mindset aufgerichtet hat. Ich freue mich über den Austausch mit euch und stehe für Fragen zum Thema Hochsensibilität gerne zur Verfügung.
Kontakt zu Christina
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3 Kommentare
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Liebe Christina,
sehr schöner Beitrag zu diesem wichtigen Thema! 🙂
Vor allem, dass Du auch die chrakteristisch-spezifischen neuronalen Besonderheiten angerissen hast; leider immer noch überraschend verbreitet bezüglich „Hochsensibilität“ sind automatisierte Assoziationen von „hellsichtig“ bis „autistisch“ – wobei sich viele HSPs durchaus „irgendwo“ im autistischen Spektrum wiederfinden (können), zB hohe Testwerte für Asperger; entgegen gängiger Klischees gibt es aber eben auch hochsensible Asperger-Autisten, die hochempathisch sind – eine Kombi, die in der Fachwelt immer noch eher negiert wird.
Aber: Alles kann, nix muss 🙂
Danke auch, dass Du den wichtigen Punkt erwähnt hast, dass ein Charakteristikum für Hochsensible ist, dass sie sehr oft zu absoluter Perfektion neigen (und sich leider auch noch allzuoft für weniger „gut“ oder „fähig“ halten in dem, was und wie sie es tun; sie erwarten geradezu, von – eigentlich weniger talentierten, engagierten – „80%-reicht-auch-Kollegen“ oder Mitmenschen jederzeit als „Hochstapler“ entlarvt zu werden…).
Ein wichtiger Punkt, den ich gerne ergänzen würde:
Was die „Ursache“ vo Hochsensibilität angeht, so gehen viele Experten mittlerweile klar davon aus, dass nicht diese dafür sorgt, dass wir uns intensiver reflektieren, intensiver wahrnehmen, fühlen usw – sondern genau andersherum: dass frühe (entwicklungs-)traumatische Prägungen unser Nervensystem und unsere Psyche derart massiv und grundlegend prägen und verändern, dass die Hochsensibilität eine Trauma-FOLGE, die maximierte Feinfühligkeit und umfassende Wahrnehmungsfähigkeit quasi als „Überlebensgarant“ ausgeprägt worden sein kann. Nicht „muss“, aber kann.
Liebe Grüße,
Moe
Danke für deinen tollen Kommentar Moe!
Insbesondere finde ich deine Ergänzung sehr informativ und wesentlich in Bezug auf die Einschätzung dessen, was einen da getroffen hat – wo das herkommt!
Liebe Grüße
Roland
Hallo Moe,
vielen Dank für die Rückmeldung und dein Interesse und die Ergänzungen zum Thema. Das HSP eine mögliche Folge z.B. frühkindlicher Traumata sein kann stimmt. Aber hier liegt die Betonung auf “kann“. Oftmals ist es schwer nachweisbar. Man geht übrigens auch davon aus, dass ca 4% der Bevölkerung HSP sind, viele es jedoch selbst nicht wissen. Es gibt so viel zu dem Thema zu sagen und finde es schon super, wenn sich die Grundlagen nun schon etwas verbreiten. Liebe Grüße Christina